In Deutschlandsberg ist die fünfte Bankstelle online
30.03.2015
Die Raiffeisenbank Deutschlandsberg schärft ihre Onlinestrategie. Es gibt keine Trennung mehr zwischen realer und virtueller Bankstelle. Die Kundenbeziehung soll damit verstärkt werden.
Die digitale Evolution stellt alle Banken vor große Herausforderungen. "Die Raiffeisenbanken erkennen die Chancen der Onlinewelt und wollen das jetzt auch entsprechend umsetzen", erklärt Walter Mösenbacher, Geschäftsführer der Raiffeisen e-force, der das Projekt der Raiffeisenbank Deutschlandsberg unterstützt hat. Die weststeirische Raiffeisenbank zeigt vor, wie eine gute Multikanalstrategie einer Regionalbank heutzutage aussieht.
"Es heißt nicht entweder-oder, sondern sowohl-als-auch", stellt Geschäftsführer Michael Hödl klar und sieht keinerlei Widerspruch zwischen Beraterbank und Onlinebank. In Deutschlandsberg wird das Internet in der Wertigkeit sogar als fünfte Bankstelle gesehen und positioniert. Ziel ist es, nicht nur als Beraterbank in der Region als Nummer eins anerkannt zu werden, sondern auch im Online-Bereich die Nummer eins zu sein. "Gerade diese organisatorische Einbindung als fünfte Bankstelle ist pionierhaft. Damit hat das Thema hohe Aufmerksamkeit bei den Mitarbeitern und der Geschäftsführung bekommen. Das ist wichtig, weil es ein Gesamtbankthema ist", weiß Mösenbacher.
Die strategische Überlegung hinter der neuen Onlinestrategie ist zum einen eine stärkere und dauerhafte Kundenbindung. "Man darf nicht den Fehler begehen und glauben, man sieht den Kunden jetzt gar nicht mehr, sondern man kann dadurch laufend den Kontakt zu den Kunden halten", erklärt Mösenbacher. Wenn etwa Jugendliche zu Ausbildungszwecken in die Stadt wandern, kann weiterhin der Kontakt gehalten werden. Zum anderen geht es um das Freispielen von Mitarbeitern. "Beratungsfreiere Geschäfte wie Zahlungsverkehr, die ursprünglich am Schalter gemacht wurden, sollen tendenziell in Zukunft online über ELBA gemacht werden. Das ist ja auch für den Kunden komfortabler und die dadurch gewonnenen Mitarbeiterkapazitäten können dann für die wirkliche Beratung eingesetzt werden", erklärt Hödl.
Die 40 Mitarbeiter der Raiffeisenbank Deutschlandsberg wurden auch im Onlineprojekt aktiv einbezogen und haben dadurch das gesamte Onlineangebot intensiv kennengelernt. Ein wichtiger Erfolgsfaktor des Projekts, wie betont wird. Besonders internetaffine Mitarbeiter bilden auch das Onlinestrategie-Team, das die Projektfortschritte regelmäßig evaluiert.
Regionaler Touch
Am Beginn der Umsetzungsphase wurde die Homepage modernisiert. "Der gesamte Onlineauftritt hat einen sehr regionalen Touch bekommen, dadurch wurde auch das Interesse an unserer Homepage größer", berichtet Hödl. Die Verbundenheit zur Region wird stark abgebildet und auch alle Mitarbeiter werden vorgestellt. Konkretes Ziel ist es, die Aufrufe jährlich um fünf Prozent zu erhöhen. Durch die bessere Gestaltung der Homepage konnten auch bereits Neukunden gewonnen werden. "Es gibt schon konkrete Geschäftsfälle, die für unser Haus ein Super-Beispiel sind, dass es sehr viel Sinn macht", so der Geschäftsleiter Hödl.
In der zweiten Umsetzungsphase wurde die Nutzung des Electronic Banking (ELBA) analysiert und forciert, durch intensive Kundenberatung und verstärkte Kommunikation mittels Mailbox. Sogenannten ELBA-Schläfern haben die Kundenbetreuer das System mit Hilfe eines einfachen schriftlichen Leitfadens nochmals Schritt für Schritt erklärt, um letzte Unsicherheiten in der Benutzung auszuräumen. Am Projektbeginn wurden 1.777 ELBA-Schläfer in Deutschlandsberg identifiziert. Diese Zahl soll sich jährlich um zehn Prozent reduzieren. Österreichweit gelten rund 10 bis 25 Prozent der ELBA-Verfüger als Schläfer. Hödl ist ambitioniert: "Schlussendlich wird jeder Kunde diesen Onlinezugang nutzen." Derzeit liegt der Spitzenwert der ELBA-Nutzer bei oberösterreichischen Raiffeisenbanken mit knapp 80 Prozent aller Kontokunden. Kontinuierlich ausbauen will man auch die Nutzung von ELBA-mobil, derzeit von rund 300 Deutschlandsberger Kunden in Verwendung.
Ein weiteres Ziel: Die Kunden sollen verstärkt selbst Produkte wie etwa Bausparverträge online abschließen. "Dieses Umdenken geht nicht so schnell, wie wir es uns erhofft haben. Gerade bei Produkten, die lange Laufzeiten haben, braucht es noch mehr Zeit; aber beim Onlinesparen ist die Bereitschaft schon sehr hoch", so Hödl.
Trotz aller Erfolge hat die Raiffeisenbank Deutschlandsberg noch weitere zahlreiche Ideen, wie man das Onlinethema noch stärker in die Köpfe der Kunden und Mitarbeiter bringt, betont Hödl: "Das Onlinethema begleitet uns jede Woche. Bei so einem Projekt ist man nie fertig." Oder wie Walter Mösenbacher dieses Change Management anschaulich erklärt: "Man kann ein E-Mail binnen einer Sekunde um die Welt schicken, aber bis die Nachricht in den Köpfen ankommt, kann es Jahre dauern."
Grundkonzept für andere Raiffeisenbanken
Die Raiffeisenbank Deutschlandsberg hat als Pilotprojekt gemeinsam mit der Raiffeisen-Landesbank Steiermark und Raiffeisen e-force nun ein Grundkonzept für andere Raiffeisenbanken erarbeitet. "Das Interesse von Geschäftsleiterkollegen am Projekt ist sehr groß. Jetzt braucht es vielerorts nur noch den Mut, das Thema tatsächlich anzugehen", appelliert Michael Hödl.