„Genossenschaften spielen in Krisen ihre Stärken aus“

21.06.2022

Beim Jahrestreffen der RWA Raiffeisen Ware Austria Ende April in Korneuburg standen die letzten beiden Pandemiejahre und die Herausforderungen des aktuellen Umfelds im Mittelpunkt. Im Photovoltaik-Segment sei man inzwischen zum größten Projektanten des Landes aufgestiegen.

Seit mehr als einem Jahrzehnt kommt die Welt nicht mehr zur Ruhe. Eine Krise jagt die nächste. Begonnen bei der Finanzkrise mit all ihren Auswirkungen über verschiedenste kriegerische Konflikte bis hin zu massiven Fluchtbewegungen. Gleichzeitig verändert sich die geopolitische Lage, die Welt dividiert sich immer mehr auseinander. Als Treiber dieser misslichen Lage tut der allumfassende Klimawandel sein Übriges. Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie schlitterte die Welt in ihren ultimativen Stresstest.

Wie es der Raiffeisen Ware Austria (RWA) und den Lagerhaus-Genossenschaften in diesem Umfeld erging und wo sie ihre Stärken ausspielen konnten, war das zentrale Thema des traditionellen RWA-Jahrestreffens. Rund 150 Lagerhaus-Obmänner, -Geschäftsführer und Ehrengäste kamen dafür am 26. April am neuen RWA-Standort in Korneuburg zusammen.

Pandemie bringt Rekordergebnisse

"Die Genossenschaft ist eine Organisation, die nirgends mehr ihre Stärken ausspielen kann als in Krisensituationen. Genau unsere Organisationsstruktur ist geschaffen für schwierige Zeiten. Diese dezentrale Organisation, die regionale Flexibilität und die Resilienz, die dahinter steckt", betont RWA-Generaldirektor Reinhard Wolf. Sowohl 2020 als auch 2021 waren Rekordjahre für die österreichischen Lagerhäuser. "Auch die RWA hat 2021 sehr ordentlich gewirtschaftet. Wir hatten das operativ beste Ergebnis unserer Unternehmensgeschichte", so Wolf weiter.

Im Kernsegment Agrar konnte die RWA einen Umsatz von 1,7 Milliarden Euro erzielen. "Durch die Pandemie ist die Landwirtschaft plötzlich in das Interesse der Bevölkerung gerückt. Wir sind gemeinsam als Lagerhaus-Verbund unserem Auftrag der Versorgungssicherheit auf Punkt und Beistrich nachgekommen. Wir haben die Landwirtschaft in jeder Minute mit allem Nötigen versorgt. Es gab keine Sekunde, wo irgendetwas nicht verfügbar war", so Wolf stolz.

Nachfrage im Landtechnik-Bereich explodiert

Der Konzernumsatz im Segment Technik wuchs im vergangenen Jahr auf 330 Millionen Euro. Die Nachfrage im Landtechnik-Bereich sei förmlich explodiert, sagt Wolf: "Nicht nur die Fördergelder, sondern vor allem der Innovationsschub in der Landwirtschaft ist ein Investitionstreiber." Am Standort in Korneuburg habe man deshalb stark in die Ersatzteillogistik zur Versorgung der Landwirtschaft investiert. "Wir sind nun in der Lage, binnen 24 Stunden 3,5 Millionen Ersatzteile in einem rein digitalisierten Geschäftsmodell ohne ein Blatt Papier abzuwickeln."

Starkes Wachstum war auch im Segment Baustoffe zu verzeichnen: "Der Franchiseumsatz ist von 620 Millionen Euro im Jahr 2020 auf 670 Millionen Euro 2021 gewachsen. Damit sind wir in Österreich mit Abstand die Nummer eins als Baustoffanbieter", bekräftigt Wolf. Wesentlicher Treiber sei die Baukonjunktur gewesen, aber auch die verstärkte Positionierung der Lagerhäuser hin zum Dienstleistungsgeschäft habe zum Erfolg in diesem Segment beigetragen.

Der Haus-&-Garten-Bereich profitierte vom positiven Umfeld im Privatkonsum: "Aufgrund der Pandemie sind die Menschen weniger gereist und haben sich dafür ihr eigenes Heim attraktiver gestaltet", erklärt Wolf den sogenannten "Cocooning-Effekt". Der Umsatz stieg im vergangenen Jahr von 620 auf 665 Millionen Euro.

Größter heimischer Photovoltaik-Projektant

Energie sei laut Wolf eines der spannendsten Segmente gewesen: "Das ist ein traditionelles Geschäftsfeld, aber unterliegt auch dem größten Wandel." Die Botschaft "Raus aus fossil" ist beim Lagerhaus-Verbund längst angekommen, sagt Wolf: "Holzpellets hätten sich in Österreich ohne die Lagerhäuser mit ihrem dezentralen Netzwerk nicht so durchsetzen können." Alleine im vergangenen Jahr wurden 270.000 Tonnen verdichtete Biomasse geliefert.

Vor zwei Jahren hat man zudem begonnen, das Geschäftsfeld Photovoltaik aufzubauen. Bis jetzt wurden 10 MWp umgesetzt, weitere 55 MWp befinden sich aktuell in Umsetzung. "Und wir sind in sehr realistischen Verhandlungen für weitere 60 MWp. Damit sind wir innerhalb von zwei Jahren zum größten PV-Projektanten in Österreich geworden", unterstreicht Wolf.

Genossenschaft als Zukunftskraft

Richtet man den Blick nach vorne, hat die Lagerhaus-Organisation eine Reihe von Herausforderungen zu meistern. So werden laut Wolf die volatilen Agrarpreise weiterhin auf extrem hohem Niveau bleiben: "Die Getreidebestände müssen finanziert und die notwendigen Betriebsmittel für die Landwirtschaft auf den Weltmärkten beschaffen werden." Damit einher gehe die Gewährleistung der Versorgungssicherheit, die durch die aktuelle Ukraine-Krise noch viel mehr an Bedeutung gewinnt. Ein weiteres Problem sieht Wolf bei den Personalständen: "Die geeigneten Mitarbeiter für unsere Geschäftsfelder zu finden, wird zur zentralen Frage. Wenn es uns besser gelingt als den anderen, werden wir die Nase vorne haben."

Sorgen mache sich der RWA-Generaldirektor aufgrund der vielfältigen Herausforderungen aber keine, denn "als Genossenschaft haben wir sehr viel Zukunftskraft in uns stecken". Für die Entfaltung dieser Kraft definiert Wolf fünf zentrale Punkte: Zum einen müsse "die unglaubliche Dynamik", die in den letzten beiden Jahre entwickelt wurde, beibehalten werden. Zum anderen dürfe die gelernte Resilienz nicht verloren gehen. An operativen Schwächen muss gearbeitet werden, um auf die nächste Krise noch besser vorbereitet zu sein. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Mitarbeiter. Diesen müsse man die verdiente Wertschätzung entgegenbringen, um sie auch langfristig zu halten und sie weiterhin gerne am Erfolg des Unternehmens mitarbeiten. Abschließend nennt Wolf den Zusammenhalt im Verbund: "Wir sind dann stark, wenn wir zusammenarbeiten. Mit diesem geschlossenem Bild nach außen werden wir auch die nötige Zukunftskraft entwickeln."