Funktionäre schauen herausfordernder Zukunft entgegen
28.03.2023
Mit einem genossenschaftlichen Jubiläum im Rücken, aber mit der Zukunft im Blickpunkt trafen sich mehr als hundert steirische Raiffeisen-Funktionäre am 23. März in Kammern im Liesingtal zur ersten Funktionärsplattform des Raiffeisenverbandes Steiermark in diesem Jahr.
Zukunftsthemen verschiedenster Art widmete sich die Funktionärsplattform des Raiffeisenverbandes Steiermark, zu der Verbandsobmann Franz Titschenbacher in den voll gefüllten Heimatsaal von Kammern lud und dessen Einladung über hundert Eigentümervertreter:innen steirischer Raiffeisen-Genossenschaften folgten.
Den Anfang machte nach einer allgemeinen Austauschrunde in Kleingruppen der Volkswirt Gunter Deuber, der mit Jahresbeginn die Nachfolge von Peter Brezinschek als Leiter von Raiffeisen Research antrat. Der Chefökonom der Raiffeisen-Gruppe stellte die Anwesenden auf wirtschaftlich herausfordernde und turbulente Zukunftsjahre ein. "Der Ukraine-Krieg hat in Teilbereichen die Szenarien komplett verändert und kostet unmittelbar rund 2.000 Milliarden Euro." Ein breit angelegter Wirtschaftsaufschwung sei aktuell nicht in Sicht, aber auch keine Schockrezession. Die Industrie in Österreich sieht Deuber bislang sehr gut durch die Krise gekommen, hingegen leide der private Konsum zunehmend, auch wenn aus der Corona-Pandemie bei den Haushalten noch Reserven vorhanden wären.
Zinserhöhung begleitet Inflationswelle
"Die Alltagsinflation und die Inflationserwartungen sind deutlich zu hoch in Europa. Daher ist die harte geldpolitische Haltung der EZB mit ihren Erhöhungen des Leitzinses nur allzu logisch, um die Inflation wieder einzubremsen." Die Preissteigerung erwartet Deuber 2023 bei rund sieben Prozent in Österreich, erst im kommenden Jahr dürfte diese - auch aufgrund der Zinserhöhungen - spürbar auf ca. 3,5 Prozent zurückgehen. "Wir erleben derzeit eine Preissteigerung in unserem Land binnen drei Jahren, die wir sonst in zehn Jahren erfahren", so Deuber. Daher geht der Finanzexperte davon uns, dass das Zinsniveau demnächst noch weiter steigen und danach in den nächsten ein bis zwei Jahren auf einem relativ hohen Level verbleiben werde.
Preiskorrektur am Immobilienmarkt
Mit der Zinsanpassung sieht Deuber auch eine Korrektur des Immobilienmarkt gekommen, die schon begonnen habe. So werde die Nachfrage nach Wohneigentum spürbar zurückgehen. "Nominell werden die Preise für Immobilien leicht sinken, inflationsbereinigt werden diese im Allgemeinen jedoch um 20 Prozent an Wert verlieren", meint Deuber. Diese Entwicklung habe für den 42-jährigen gebürtigen Deutschen aber auch positive Seiten, denn nur so lasse sich in Kombination mit höheren Löhnen die zuletzt aus dem Lot geratene Leistbarkeit von Wohnimmobilien für die Haushalte wieder verbessern.
Arbeitskräfteknappheit größtes Problem
Als "Produktionshindernis Nr. 1" für die heimischen Betriebe bezeichnete Deuber die Arbeitskräfteknappheit im Land, wenn auch diese zum Teil "hausgemacht" sei: "Durch Corona geänderte Arbeitspräferenzen haben zu einem Teilzeitboom und weniger Überstunden geführt. Das 'fehlende' Stundenvolumen entspricht 125.000 Vollzeitstellen." Deuber machte dabei den Anwesenden klar: Diese gesellschaftliche Entwicklung sei gekommen, um zu bleiben. Daher müsse man sich als Arbeitgeber darauf einstellen, die Effizienz steigern und die Automatisierung vorantreiben.
Diversität als Zukunftschance für Genossenschaften
Nach den harten wirtschaftlichen Fakten Deubers ging die steirische Vertreterin im Funktionärinnen-Beirat des Österreichischen Raiffeisenverband, Doris Grantner-Planitzer, auf die Zukunftschancen für Genossenschaften ein, die vielfältige besetzte Funktionärsgruppen bringen würden. Sie lobte zum einen den starken Anstieg der Frauenquote in den Gremien der Raiffeisenbanken, setzte aber auch einen klaren Appell ab: "Selbst wenn der Frauenanteil binnen acht Jahren von neun auf 22,5 Prozent gestiegen ist, haben wir die Zielmarke von 25 Prozent noch nicht erreicht." Grantner-Planitzer machte auch deutlich, dass ein divers besetztes Gremium nicht nur eine Geschlechterfrage sei, auch die Altersstruktur sowie die Einbindung verschiedenster Berufsgruppen müssten beachtet werden.
Raiffeisen-Bankengruppe im Wandel
Den unter dem Projekttitel "Wir'27" laufenden, breit angelegten Transformationsprozess der Raiffeisen-Bankengruppe Steiermark erläuterte in einem kurzweiligen Impulsreferat die in der Raiffeisen-Landesbank Steiermark zuständige Vorstandsdirektorin Ariane Pfleger. Nach einer umfangreichen Analyse- und Ideenfindungsphase, an der fast 3.000 Menschen teilgenommen haben, sowie einer Strategieentwicklungsphase beginne man nun mit den ersten Pilotprojekten. Zu diesen zählen unter anderem die Gründung von Energiegenossenschaften, neue Wege der Erfolgsmessung, die Anpassung von Produkten und Prozessen oder flexible Arbeitsmodelle.