Bauwirtschaftsforum: „Marktbereinigung statt Krise“

16.10.2024

Am 10. September luden die Raiffeisen-Landesbank Steiermark (RLB) und der Raiffeisenverband Steiermark zum 2. Raiffeisen-Bauwirtschaftsforum nach Raaba-Grambach ein, bei dem sich über 140 Gäste über das brisante Thema "Immobilienmarkt" austauschten.

Den Auftakt des fachlichen Programms beim 2. Raiffeisen-Bauwirtschaftsforum machte in diesem Jahr Matthias Reith, Immobilienexperte und Senior-Ökonom bei Raiffeisen Research. Er ging auf die derzeit schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Bauwirtschaft ein und betonte, dass die hohe Inflation eine große Herausforderung darstelle und das Wachstum am Immobilienmarkt bremse. Trotz einer Verlangsamung verzeichne der österreichische Markt weiterhin Wachstum. Überraschend sei die Entwicklung der Inflation im Jahr 2024. „Inflation ist kein Sprint, sondern ein Marathon“, sagte Reith und machte deutlich, dass die schwierigsten Phasen noch bestehen und Ausdauer gefragt sei.

Weiteres Kernthema seines Vortrags war die Leistbarkeit von Immobilien. "Österreichs neun Bundesländer haben jeweils unterschiedliche Immobilienmärkte, wobei der Westen und Wien im Vergleich zum Osten benachteiligt sind. Diese Ungleichheiten beeinflussen direkt den Wohnungsmarkt", meint Reith. Während die Leistbarkeit kurzfristig eine wichtige Rolle spiele, werde langfristig die Bevölkerungsentwicklung den entscheidenden Faktor für den Immobilienmarkt darstellen. Viele der von Reith angesprochenen Punkte seien bereits im Vorjahr thematisiert worden, was darauf zurückzuführen sei, dass sich die Rahmenbedingungen kaum verändert und teilweise sogar verschärft haben.

Immobilienmarkt hinkt hinterher

Im zweiten Gastvortrag beleuchteten die Immobilienexperten Jürgen Nageler, Christian Neuhold und Werner Schönfelder von der in Graz ansässigen KNNS Beratungs GmbH die Herausforderungen bei Immobilienprojekten in der aktuellen Krise. Der Fokus lag auf der Preisentwicklung und deren Ursachen. Laut KNNS würden viele Käufer weiterhin zurückhaltend agieren, da sich die Preise noch nicht stabilisiert hätten. Die Realwirtschaft übe hierbei wesentlichen Einfluss auf die künftige Marktentwicklung aus. Da die Wohnungsindustrie aufgrund ihrer langen Entwicklungszyklen schwerfällig sei, wären kurzfristige Anpassungen kaum möglich.

Ein zentrales Thema war die Diskrepanz zwischen den angebotenen Wohnungsprojekten und den Bedürfnissen der Wohnungssuchenden. Viele der aktuellen Projekte gingen an der Nachfrage vorbei, da nach der Corona-Pandemie vermehrt größere Wohnungen mit Freiflächen gefragt seien, was jedoch nicht immer berücksichtigt werde.

Marktbereinigung statt Immobilienkrise

Gerald Gollenz, Fachverbandsobmann für Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Steiermark, gab einen fundierten Überblick über die aktuelle Situation sowie Chancen und Entwicklungen in der Immobilienwirtschaft. Er betonte, dass der Markt derzeit eine Bereinigung durchlaufe, was häufig fälschlicherweise als Immobilienkrise bezeichnet werde. „Es handelt sich eigentlich nicht um eine Immobilienkrise, sondern um eine Krise einzelner gewerblicher Bauträger, die wir als Bank beziehungsweise als Kreditwirtschaft groß gemacht haben“, erläuterte Gollenz. Er warnte vor einer drohenden Wohnungsknappheit, die den Markt weiter unter Druck setzen könnte, sieht aber auch Chancen für eine Neuausrichtung der Branche.

Wirtschaftlichkeit von Wohnbauprojekten

Über die Wirkung und Veränderung des Baupreisindex informierte Herwig Pernsteiner, Geschäftsführer der in Ried im Innkreis angesiedelten ISG-Wohnbaugenossenschaft. Er beleuchtete die starken Schwankungen auf den Finanzmärkten und die Entwicklungen bei Material- und Lohnkosten, die massive Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft haben. Die steigenden Baukosten erschweren die Projektplanung zunehmend. "Die Kostenexplosion bei Materialien und Löhnen führt dazu, dass Bauvorhaben teurer und weniger rentabel werden, was Bauträger und Investoren vor neue Herausforderungen stellt und den gesamten Markt nachhaltig beeinflusst", analysiert der Fachmann aus Oberösterreich.

Aus Sicht der Bankengruppe

Florian Stryeck, Vorstandsdirektor der Raiffeisen-Landesbank, analysierte die gegenwärtige Situation am Immobilienmarkt aus Sicht der steirischen Raiffeisen-Bankengruppe (RBG). Zusammenfassend betonte er, dass die RBG Steiermark in der Vergangenheit strategisch richtige Entscheidungen getroffen habe und daher gut aufgestellt sei. Dennoch könne man sich den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht entziehen.

Stryeck hob hervor, wie wichtig es sei, in den eigenen Häusern sauber und ordnungsgemäß zu arbeiten, um Probleme mit der Aufsichtsbehörde zu vermeiden. Besonders betonte er die hohe Bedeutung der Sicherheitsbewertung: "Vorausschauendes Handeln, das frühzeitige Erkennen und Einschätzen von Risiken sowie präzise Berechnungen sind entscheidend, um auf künftige Herausforderungen vorbereitet zu sein." Zudem verwies Stryeck auf Frühindikatoren, die auf eine mögliche Bonitätsverschlechterung hinweisen, und betonte, dass diese Entwicklungen sorgfältig beobachtet werden müssen.