Agrarsymposium: „Kleine Strukturen sind innovativer“

21.10.2015

Die schwierige Situation der steirischen Landwirtschaft und deren Herausforderungen für die Zukunft standen im Zentrum des zweiten Agrarsymposiums der Raiffeisen-Landesbank Steiermark. Mehr als 500 agraraffine Zuhörer kamen nach Raaba, um den hochkarätigen Rednern zu lauschen.

Ungewohnte Klänge beherrschten am 19. Oktober die Raiffeisen-Landesbank Steiermark in Raaba: viel Polka und Landler von der volkstümlichen Gruppe "Die Lannacher". RLB-Generaldirektor Martin Schaller lud zum zweiten Raiffeisen-Agrarsymposium, welches innerhalb kürzester Zeit mit mehr als 500 Gästen ausgebucht war. Geladen waren Bäuerinnen und Bauern, Funktionäre, Kammermitarbeiter, Verarbeiter, Multiplikatoren des ländlichen Raumes.

Die ZiB1-Journalistin Nadja Bernhard brachte einen Grundgedanken des Abends gleich zu Beginn auf den Punkt. "Es sind nicht gerade gemütliche Zeiten, wo Nähe und persönliche Betreuung immer wichtiger werden." RLB-Chef Schaller zu den Beweggründen für das jährliche Symposium: "Die Landwirtschaft ist selbstverständlich ein zentraler Bestandteil von Raiffeisen. Mit Veranstaltungen wie dem Agrarsymposium können wir informieren und wir hören den Leuten zu und geben ihnen die Möglichkeit, Fragen zu stellen und sich zu vernetzen." Zustimmendes Nicken auf seiner Seite hatte Schaller, als er bei Regionalbanken und der steirischen Landwirtschaft den gemeinsamen Nenner fand: "Das Fixieren auf den Preis bringt nichts, wenn die Produktionsbedingungen nicht vergleichbar sind. Dennoch muss laufend betriebswirtschaftliches Denken forciert, Innovationen gestärkt und Veränderungsbereitschaft unterstützt werden."

Fischler: "Kleinbetriebe sind oft gewiefter"

Franz Fischler, ehemaliger Landwirtschaftsminister und EU-Agrarkommissar, erinnerte das Publikum an die 60er-Jahre, als Europa der größte Lebensmittelimporteur der Welt und der Kontinent weit davon entfernt war, sich selbst ernähren zu können. "Durch intensive Investitionen erreichte die Landwirtschaft aber viel schneller die Eigenversorgung als gedacht, es folgte Überproduktion", resümierte Fischler. "Das war wie beim Zauberlehrling, niemand wusste, wie den Überschüssen Einhalt geboten werden konnte." Rund 20 Jahre dauerte es, bis es 1992 zu substantiellen Reformen kam.

Den EU-Beitritt sieht er positiv: "Österreich ist nicht untergegangen, wie damals prophezeit wurde. Denn der Konsumpatriotismus ist in Österreich besonders stark ausgeprägt. Zudem stiegen die Lebensmittelexporte in den vergangenen 20 Jahren um das Fünffache an", betonte Fischler und ergänzte: „Die aktuell niedrigen Milchpreise gibt es nicht wegen des Wegfalls der Milchquote, sondern zum großen Teil wegen des schlechteren Absatzes in China.“

Die künftigen Aufgaben sieht Fischler nicht minder fordernd: "Preisschwankungen, Klimawandel und Innovation sind drei Mega-Trends der Zukunft, die uns in der Landwirtschaft fordern werden. Die Landwirtschaft braucht mehr Innovationsanreize, aber sicher keine Pauschalrezepte und Instantlösungen. Großes Potential hat dabei gegenseitiges Lernen. Gerade die kleineren Betriebe sind dabei die gewieftesten", so der Ex-EU-Kommissar.

Vielfalt bewahren und nützen

Franz Titschenbacher, Präsident der Landwirtschaftskammer Steiermark und gleichzeitig Verbandsobmann, plädierte für eine "neue Kultur des Ermöglichen". Vielfalt müsse bewahrt und genützt werden. Hinsichtlich der Diskussion um die Öffnung der Forststraßen für Mountainbiker forderte Titschenbacher "Respekt vor dem Eigentum und Wertschätzung" ein.

In dieselbe Kerbe schlug der steirische Agrarlandesrat Johann Seitinger: „Es gibt keine Patentrezepte, die für jeden einzelnen Betrieb funktionieren.“ Seitinger forderte weiters einen Bürokratieabbau: „Es kann nicht sein, dass die Entwicklung eines Betriebes wie etwa beim Stallbau durch die Vielzahl von Auflagen behindert wird.“

Klimawandel findet statt

Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter betonte eingangs mehrfach die Umweltfunktion der Landwirtschaft wie auch die unmittelbare Betroffenheit bei dramatischen Wetterereignissen. "Der Klimawandel findet statt - auch in Syrien. Mehrere Dürrekatastrophen hätten dort bereits vor vier Jahren Hunger und einen Bauernaufstand ausgelöst, "aufgebrachte Menschenmassen zogen in die Städte - das war mit eine explosive Grundlage für den Bürgerkrieg." Auch Rupprechter hob wie Fischler die Exportoffensive in den asiatischen Raum hervor. Trotz aktueller konjunkturell bedingter Exporteinbrüche nach China bleibt der Markt höchst interessant, das Land wird noch sehr lange der weltgrößte Importeur von Lebensmitteln bleiben.

Ärger über Milchpreis

Zahlreiche Bauern machten in der kurzen Publikumsdiskussion ihren Ärger über die niedrigen Milchpreise Luft. Rupprechters Replik: "Das ist die Folge der globalen Marktsituation und kein Ergebnis des Quotenendes. Ein Plus von zehn Cent kann nicht verordnet werden, der Markt macht den Preis und nicht die Politik."

Wilfried Thoma, Präsident des Aufsichtsrates der RLB Steiermark, fragte sich, wie lange Bauern, "die an sich keine Rebellen sind" noch "ruhig und beharrlich ihr Dasein fristen. Wenn Landwirte bei Demonstrationen auf die Barrikaden steigen, muss schon viel passiert sein."