Südtirol: Giebelkreuz schreibt 125-jährige Erfolgsstory

10.12.2014

Über 200 Vertreter aus Kirche, Politik und Wirtschaft sowie Vertreter des Raiffeisensektors aus Südtirol, Tirol, Italien, Österreich und Bayern nahmen am 24. Oktober im Bozner Raiffeisenhaus an der Tagung „125 Jahre Raiffeisenkassen in Südtirol - Erfolgsmodell mit Tradition und Zukunft“ teil. Regelmäßige Bewegung, gesunde Lebensweise und die Einbettung in ein Beziehungsnetzwerk kennzeichnen den Südtiroler Weg.

Es war Pfarrer Josef Tasser in Welschellen im Gadertal, der 1889 auch die Lehren von Friedrich Wilhelm Raiffeisen predigte und den ersten Spar- und Darlehenskassen-Verein gründete. Das genossenschaftliche Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe war damals die konkrete Antwort gegen die Wucherei städtischer Händler und für den Erhalt der Besitztümer. „Das Kapital muss auch heute im Dienst der Menschen stehen und nicht umgekehrt“, forderte Bischof Ivo Muser bei der Jubiläumsveranstaltung in Bozen. Aus den kleinen Räumen, in denen der Raiffeisenverband wirkt, soll und kann ein Hoffnungszeichen ausgehen, so der Bischof.

In den 125 Jahren haben die Genossenschaftsbanken bis heute nichts von ihrem Glanz verloren, wie Paul Gasser, Generaldirektor des Raiffeisenverbandes Südtirol, betont: „Der Erfolg der Raiffeisenkassen beruht in erster Linie nicht auf ihrer ökonomischen Schlagkraft, sondern in der Stärke aus der Gemeinschaft, der Nähe zu den Mitgliedern und Kunden, gepaart mit Verlässlichkeit, Kompetenz und einer zeitgemäßen Form der Mitbestimmung.“

Jeder achte Südtiroler ist Mitglied

Mit 59.000 Mitgliedern hält jeder achte Südtiroler Anteile an einer der 47 Raiffeisenkassen, die dem Raiffeisenverband Südtirol angeschlossen sind. Mit 196 Bankstellen sind die Raiffeisenkassen im Einlagen- und Kreditgeschäft des Südtiroler Bankensystems klarer Marktführer. Gemeinsam mit der Raiffeisen Landesbank Südtirol stellen sie knapp die Hälfte der vergebenen Kredite und erreichen bei den Einlagen knapp die Hälfte der Marktanteile.

„Die Genossenschaften sind Wertegemeinschaften und gerade die kleinteilige Wirtschaft in Südtirol braucht Genossenschaften, um wettbewerbsfähig zu sein“, konstatiert Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher. Über die Zukunftsfähigkeit der Genossenschaft sorgt sich der Politiker keineswegs: „Das Rezept für ein hohes Alter ist regelmäßige Bewegung, gesunde Lebensweise und die Einbettung in ein Beziehungsnetzwerk. Die Raiffeisenkassen verkörpern das alles.“

Die zukünftige Entwicklung hänge stark davon ab, inwieweit Mitglieder und Führungskräfte in ihrer genossenschaftlichen Geisteshaltung und Überzeugung mitwachsen werden und ob sich die Raiffeisenkassen in ihrer Leistungsfähigkeit weiterentwickeln, betont Paul Gasser: „Stabilität und Sicherheit erreicht man nicht durch das starre Festhalten an überlieferten Werten, sondern durch deren bewusste und innovative Weiterentwicklung.“ Raiffeisen stehe etwa Entwicklungen aufgeschlossen gegenüber und nehme die geänderten Anliegen der Kunden stets ernst. „Wer Vertrauen schafft und wer Vertrauenhat, gibt sich und anderen die Chance auf eine bessere Zukunft“,ist der Verbandsdirektor überzeugt.

Die gesunde Lebensweise belegt in einem anhaltend schwierigen Umfeld das gute Halbjahresergebnis 2014: Das Bruttovolumen der vergebenen Kredite beträgt 9,62 Mrd. Euro und die direkten Kundeneinlagen 9,97 Mrd. Euro. Zusammen mit der Landesbank weisen die Raiffeisenkassen ein Kundengeschäftsvolumen von 21,61 Mrd. Euro und ein bilanzielles Eigenkapital von 2,12 Mrd. Euro auf. „Die gute Entwicklung ist kein Zufall, sondern das Ergebnis konsequenter Arbeit“, unterstreicht Verbandsobmann Heiner Nicolussi-Leck und erinnert: „Genossenschaften entstehen nie als Selbstzweck, sondern immer aus einer wirtschaftlichen oder sozialen Notwendigkeit heraus. Ihr geniales wie einfaches Erfolgsgeheimnis ist dabei im Grund die Bündelung der Kräfte.“

Geschlossener Auftritt

Die Kräfte der Genossenschaftsverbände zu bündeln, wird im aktuellen Umfeld auch als dringend notwendig erachtet. „Noch nie haben wir so schwierige Zeiten erlebt. Das Risiko für uns im Genossenschaftswesen ist, dass nach der Wirtschafts- und Finanzkrise vor allem die großen Kapitalströme wieder die Vormacht einnehmen. Es besteht die Gefahr, dass alle Erfahrung und Kultur nivelliert werden und nur mehr eine Logik gilt, die einer Aktienbank“, warnt Maurizio Gardini, Präsident der Confederazione Cooperative Italiane. Alessandro Azzi, Präsident der Federcasse, ist ebenfalls wachsam, denn „die Bankenunion versucht alle Banken zu vereinheitlichen“. Dass bei den neuen Regularien der Kunde auf der Strecke bleibe, betonen der Generalsekretär des Österreichischen Raiffeisenverbandes, Andreas Pangl, und Arnulf Perkounigg, Geschäftsführer des Raiffeisenverbandes Tirol, unisono. Aufgrund der aktuellen Angriffe auf das Genossenschaftswesen appelliert der frühere Südtiroler Verbandsdirektor Konrad Palla: „Ohne die gemeinsame Arbeit im Verbundsystem haben wir keine Zukunft.“

Die enge Zusammenarbeit mit den Raiffeisenverbänden in Tirol, Österreich und Bayern sowie mit den anderen italienischen Genossenschaftsverbänden wurde bei der Jubiläumsfeier in Gesprächsrunden klar untermauert. Gemeinsam müsse man die Unterschiede der Raiffeisenkassen gegenüber dem übrigen Bankensystem unterstreichen und die ideellen Werte hervorheben, appelliert Gasser. Dass die Genossenschaften in den vergangenen Jahren an Renommee gewonnen haben, steht für Heiner Nicolussi-Leck jedenfalls außer Zweifel: „Vor zehn Jahren wurden die Genossenschaftsbanken für ihr etwas bodenständiges Geschäftsmodell noch belächelt. Heute ist das anders. Die Zukunft der Genossenschaften mit ihrer über 100-jährigen Geschichte steht erst noch bevor, in einer Zeit, wo der herrschende Turbokapitalismus seinen Zenit überschritten hat.“

125 Jahre Südtiroler Raiffeisenbanken
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