„Der Aufsichtsrat ist die Visitenkarte eines Hauses“

20.03.2015

"Funktionäre sind unverzichtbar“, stellte Generalanwalt Walter Rothensteiner bei der 51. Spitzenfunktionäre-Informationstagung des Österreichischen Raiffeisenverbandes Ende Jänner in Salzburg unmissverständlich klar.

Ein Funktionär stehe „für Entscheidungen auf Basis von Werten, für Geschäft auf Basis von Mitgliederinteressen und für Zukunft auf Basis von Herkunft“. Der Funktionär komme einem „Fahrlehrer für das Management“ gleich. Er habe „eigene Pedale“, lasse das Management im Alltag aber alleine fahren und greife so wenig wie möglich ein, aber wenn nötig, dann könne und traue er sich auch. „Nur mitfahren geht nicht“, betonte Rothensteiner bei der von 120 Teilnehmern besuchten dreitägigen ÖRV-Veranstaltung.

Die Aufgaben im Kontrollgremium haben sich dabei in den vergangenen Jahren stark verändert. Während in den 80er-Jahren nur Jahresabschluss, Budget, Prokura-Ernennungen und Beteiligungs- bzw. Liegenschaftstransaktionen abgewunken wurden, gehe heute ohne die Zustimmung des Aufsichtsrats gar nichts mehr, erklärte Josef Fritz, Geschäftsführer von Board Search und damit Headhunter für Aufsichtsräte. Strengere gesetzliche Regelungen führten zu einer Professionalisierung der Gremien. Im Bankbereich müssen Spitzenfunktionäre etwa „Fit-&-Proper“-Tests bestehen.

Aufsichtsrat ist Visitenkarte des Hauses

Fritz ist überzeugt: „Mit klugen Köpfen im Kontrollorgan erspart man sich jeden Unternehmensberater.“ Auf Basis von Vertrauen seien Qualifikation, Eignung und Unabhängigkeit die wichtigsten Kriterien für ein gut funktionierendes Kontrollgremium. „Der Aufsichtsrat ist die Visitenkarte des Hauses“, weiß Fritz und die Zusammensetzung von Aufsichtsräten sei heutzutage auch ein Investmentkriterium. Bei der Zusammensetzung des Kontrollorgans spielt die Vielfalt der Mitglieder eine entscheidende Rolle. „Man kann nicht mit elf Torhütern auf das Feld gehen“, veranschaulicht der Aufsichtsratsvermittler.

Raiffeisen hat Nachholbedarf bei den Frauen

Der Raiffeisensektor erkennt Nachholbedarf bei der Zusammensetzung der Gremien und will etwa eine stärkere Vertretung von Frauen in den Gremien. Im Vorjahr wurde deshalb der Funktionärinnen-Beirat im Österreichischen Raiffeisenverband gegründet. Neben dem Netzwerk für Erfahrungsaustausch arbeitet der Beirat gerade gemeinsam mit dem Raiffeisen Campus an einem speziellen Ausbildungsprogramm und an einem Informationsseminar für potenzielle Funktionärinnen. Auch bei den Lagerhaus-Genossenschaften besteht Handlungsbedarf, wie Johann Lang, Aufsichtsratsvorsitzender der Raiffeisen Ware Austria (RWA), erklärt: „40 Prozent der bäuerlichen Betriebe werden von Frauen geführt, derzeit schaffen wir es aber nicht, dieses Verhältnis auch im Aufsichtsrat der Lagerhäuser abzubilden.“

Auf die Jugend zugehen

Allgemein bemüht man sich bei Raiffeisen auch um mehr Jungfunktionäre. Kerstin Bund, Wirtschaftsredakteurin bei „Die Zeit“ und Kennerin der sogenannten Generation Y, ist überzeugt: „Was die Jüngeren wollen, kommt auch den Älteren zugute und auch die Unternehmen profitieren von dem Wandel.“ Wichtig für Jungfunktionäre seien flache Hierarchien, sofortiges Mitspracherecht und die aktive Kommunikation von Sinn und Zweck. Die Jugend sehe Genossenschaften derzeit als „Schlafverein“. Auch die 30-jährige Margareta Weiglmeier-Frauenschuh, Vorstandsmitglied der Raiffeisenbank Köstendorf, findet: „Raiffeisen muss vor Ort viel mehr Imagewerbung machen. Man muss viel mehr zu den Kunden hin, um das Bild etwas aufzupolieren.“

Zukunftswerkstatt mit Erdung

Das Leitbild der Genossenschaften in die Sprache der heutigen Zeit zu bringen, das ist auch die Aufgabe von Justus Reichl, der die neu gegründete Stabsstelle für Genossenschaftsstrategien- und perspektiven im Österreichischen Raiffeisenverband verantwortet. Das Genossenschaftskonzept erlebe derzeit eine Renaissance, aber wie Reichl betont: „Alle anderen tun so, als hätten sie das Thema erfunden. Aber wir, die eigentlich aus diesem Thema kommen, schauen relativ wenig darauf und nutzen diese Chance relativ bescheiden.“ Im ersten Schritt sollen mit Hilfe einer Online-Plattform gute Ideen ausgetauscht und neue Initiativen so vernetzt werden, dass nicht „einer allein immer alles neu erfindet“. „Wir wollen im Raiffeisenverband eine Zukunftswerkstatt mit Erdung und hohem Praxisbezug sein“, definiert Reichl seine Tätigkeit.

Ein Schwerpunkt liegt dabei auch in der internen Kommunikation, denn eine explorative Studie der Universität Wien hat gezeigt, dass 40 Prozent der Kundenberater mit dem Wunsch einer Genossenschaftsmitgliedschaft nichts anzufangen wissen. ÖRV-Generalanwalt-Stellvertreter Jakob Auer sieht die Ursache in der Führungsebene: „Wir bekommen immer mehr Geschäftsführer gerade in Raiffeisenbanken aus nichtgenossenschaftlichen Bereichen. Das sind perfekte Manager, aber Raiffeisenblut haben sie keines in sich aufgesogen.“ Auer plädiert, dass die Unternehmensverantwortlichen ihren Mitarbeitern bei jeder Gelegenheit das Genossenschaftswesen näherbringen und die Raiffeisen-Werte vermitteln sollten. Sebastian Schönbuchner, Obmann des Raiffeisenverbandes Salzburg, erkennt die Auswirkung der guten Jahren: „Da haben wir nicht viel tun müssen und sind in uns bequem geworden. Jetzt sind wir aber gefordert, wie wir es noch nie waren."