Agrarsymposium: „Lebensmittel müssen erzählt werden“

06.12.2017

Was essen wir morgen? Was produzieren wir morgen? Diese Fragen bewegten rund 700 Landwirte und Vertreter der Lebensmittelbranche Ende November beim Agrarsymposium in der Raiffeisen-Landesbank Steiermark in Raaba-Grambach.

Trendforscherin Hanni Rützler, Karoline Scheucher (Steirerfleisch), Friedrich Tiroch (Obersteirische Molkerei) und Martin Auer (Auer Brot) diskutierten über die Ernährungstrends der Zukunft und die Auswirkungen auf die heimische Landwirtschaft. Für die kommenden Herausforderungen sehr gut aufgestellt sieht RLB-Generaldirektor Martin Schaller die heimische Landwirtschaft: „Die Bäuerinnen und Bauern kalkulieren und rechnen heute sehr genau und sind bereit, auf Veränderungen rasch zu reagieren.“

„Essen ist Pop und Ausdruck der Persönlichkeit“

Diente das Essen früher der Nahrung, ist es heute zu einer persönlichen Ausdrucksform geworden. So ist es zu erklären, warum Gäste ihre Mahlzeiten sofort fotografieren und so gerne auf Social-Media-Kanälen präsentieren. Klar zeigt sich heute auch, dass immer weniger Konsumenten wissen, wie Essen entsteht und wie sie es zubereiten sollen. „Konsumenten suchen daher die Nähe zum Produkt und wollen es besser verstehen“, erklärt Hanni Rützler.

„Bauern müssen zu Erklärern von Lebensmitteln werden“

Aufgrund des fehlenden Erfahrungswissens vieler Konsumenten muss man heute Geschichten über das Essen erzählen, so Friedrich Tiroch. „Wir verfolgen diesen Anspruch in unserer Molkerei ganz konsequent, doch die Konsumenten wollen die gesamte Entstehung vom Beginn sehen. Daher müssen auch die Bauern noch viel stärker zu Erklärern von Lebensmitteln werden“, betont der Chef der Obersteirischen Molkerei. Erfreut zeigt sich Tiroch, dass das Palmöl kritisch hinterfragt und durch Milchfett ersetzt wird.

Weniger, aber bewussterer Fleischkonsum

Der Trend zum „Flexitarier“ äußert sich darin, dass weniger, aber dafür bewusster Fleisch konsumiert wird. „Mit 38 Kilogramm Pro-Kopf-Verbrauch bei Schweinefleisch in Österreich ist der Plafond erreicht“, analysiert Steirerfleisch-Chefin Karoline Scheucher, die dies aber nutzen will. Ihre Botschaft an die Konsumenten: „Esst weniger Fleisch, aber wenn, dann heimisches und nicht billiges aus dem Ausland“. Dazu müsse man auf den Aspekt des Tierwohls und der Tierethik noch mehr Augenmerk legen.

Wertschätzung der Lebensmittel beginnt beim Produzenten

Der Grazer Bäcker-Pionier Martin Auer ortet den vielen Trends zum Trotz noch immer fehlende Wertschätzung für Lebensmittel: „Es ist ein Überangebot, das einen Mangel schafft – und zwar bei der Relevanz und Aufmerksamkeit fürs Produkt.“ Sein Weg: „Dem Brot die Seele zurückgeben." Das heißt: reduzieren beim Sortiment und bei den Zutaten. Wesentlich sei aber auch, dies zu kommunizieren, damit die Konsumenten auch verstehen können, was Qualität eigentlich ist.

Regionale Vielfalt der Steiermark als große Chance

Optimistisch zeigte sich der RLB-Aufsichtsratspräsident Wilfried Thoma. „Die steirische Landwirtschaft ist mit durchschnittlich zwölf Hektar Nutzfläche sehr klein strukturiert, hat dadurch aber die Chance, sich weiter zu spezialisieren.“ Der bereits eingeschlagene Weg zu vielen regionalen Marken sei richtig, denn mit ganz typischen Produkten habe sich die Steiermark als Feinkostladen Österreichs sehr gut positioniert.

Raiffeisen-Agrarsymposium 2017
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