20. RLB-Konjunkturgespräch: Chancen trotz Krise

07.05.2009

Ein Banker, ein Politiker, ein Optimist und ein Pessimist prägten das 20. „Konjunkturgespräch Steiermark“ der Raiffeisen-Landesbank Steiermark. Alle vier sehen die Krise als Chance und sprachen sich für eine Strukturreform aus.
 
Seit 1989 laden die Raiffeisen-Landesbank Steiermark (RLB) und das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) zum „Konjunkturgespräch Steiermark“. „Noch nie gab es ein Konjunkturgespräch unter so schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“, erklärte Gastgeber, Raiffeisen-Landesbank-Steiermark-Generaldirektor Markus Mair, Moderatorin Lou Lorenz gleich zu Beginn. „Die Krise hat die Steiermark besonders hart getroffen. Jetzt müssen wir uns strukturell erneuern“, verlangte der RLB-Generaldirektor. Man müsse sich, so Mair weiter, auch vom alten Denken verabschieden, eine übergreifende Koalition eingehen und klassenkämpferische Töne vermeiden. Er forderte aber auch einen radikalen Schwenk in der Budgetpolitik des Landes und ein positives Zukunftsbild. „Die Krise löst sich nicht von alleine. Wir alle müssen einen Zukunftsglauben und einen Zukunftswillen entwickeln.“

Ins selbe Horn stieß Wirtschafts-, Innovations- und Finanzlandesrat Christian Buchmann. Der Landesrat sprach sich ebenfalls für eine Strukturreform aus, „sonst wachsen uns die Schulden über den Kopf.“ In der Steuerreform sieht der Landesrat einen richtigen Schritt, erteilt der Einführung einer Vermögenssteuer aber eine klare und scharfe Absage: „Wir müssen entlasten und nicht belasten. Die Vermögenssteuer ist nötig wie ein Kropf.“

Ordentlich zur Sache ging es dann bei den beiden Wirtschaftsforschern. „Ich gebe es zu, ich bin ein Optimist“, bekannte WIFO-Chef Karl Aiginger. Dementsprechend fiel auch seine Analyse aus. Der WIFO-Chef erwartet für 2009 ein Schrumpfen der heimischen Wirtschaft in der Bandbreite zwischen zwei und drei Prozent. Das ist deutlich optimistischer als die jüngsten Prognosen von OECD und EU, die um Minus 4 % erwarten. 2010 erwartet der WIFO-Chef sogar ein leichtes Plus von 0,5 %. Den Grund für seinen Optimismus sieht Aiginger in einem „Österreich-Bonus“: „Wir haben fünf gute Jahre hinter uns. Österreich gehört beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zu den fünf reichsten EU-Ländern, noch vor Deutschland. Wir haben Reserven, unsere Arbeitskosten sind im Verhältnis zur Produktivität gering, und wir haben dynamische Nachbarn. All das haben OECD und EU nicht.“

Bei allem Optimismus sieht Aiginger aber auch, dass „die Veränderung der Rahmenbedingungen Österreich besonders hart treffen.“ Die lieb gewordene Position „in der Mitte“ wird, erwartet der WIFO-Chef, in Zukunft unhaltbar sein. „Wir müssen danach trachten, an der Spitze zu sein und nicht im Mittelfeld.“ Aiginger sieht in der Krise „die größte Herausforderung für unsere Generation“. Wann die Krise überwunden sein wird, dafür präsentierte er zwei Szenarien. „Wenn sich das Misstrauen weiter fortsetzt, die Zinssätze in die Höhe gehen und sich ein niedriges Realwachstum breit macht, dann wird 2010 ein Jahr der Stagnation. Danach wird es niedrige Wachstumsraten geben.“ Die optimistische Sicht: „Wenn die staatlichen Pakete endlich zu greifen beginnen, die Fehler aufgedeckt und beseitigt sind und neue Unterlegungsvorschriften zu neuen Anreizen führen. Dann erholen wir uns schon im Herbst 2009 und können auf eine leichte Erholung 2010 hoffen.“ Auf alle Fälle wird die Welt nach der Krise eine andere sein. „Ich erwarte ein niedrigeres, mittelfristiges Wachstum, größere Vorsicht, eine hohe Verschuldung des Staates und wenig Geld für neue Technologien. Eine Verwaltungsreform ist dringender denn je.“ Auch ein gesteigertes Konfliktpotential sieht Aiginger. „Hohe Abgaben und niedriges Wachstum sind eine gefährliche Kombination. Vor allem, weil uns auch die Arbeitslosigkeit als Problem erhalten bleibt.“ Als Vision sieht Aiginger die Steiermark als Partner Südost-Europas, dessen Staaten alle in die EU drängen.

Nicht ganz so rosig sieht OECD-Experte Andreas Wörgötter die Auswirkungen der Krise. Er sieht zwar auch positive Jahre, „die haben aber nicht zu einem nachhaltigen Wachstum geführt“. Der derzeitige Abschwung ist für ihn der „schwerste seit der Nachkriegszeit.“ Mit fatalen Folgen: Das Welthandelswachstum ist kollabiert, Öl und andere Rohstoffe sind gefallen, und die Industrieproduktion befindet sich im freien Fall. Für die Zukunft erwartet er erst zu Beginn des Jahres 2010 „ein Überschreiten der Nullwachstumslinie“, danach nur einen leichten Aufschwung und erst gegen Ende 2010 ein signifikanteres Wirtschaftswachstum. „Ganz, ganz schlechte Nachrichten habe ich für alle Mandatare gesetzgebender Körperschaften im Saal. Sie werden nichts zu verteilen haben, sondern nur zu konsolidieren.“ Einzig die Gefahr einer großen Inflation sieht der OECD-Experte nicht. „Inflation wird für uns zum Fremdwort werden.“

Dafür erwartet er wie sein Kollege Aiginger einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Wörgötter bietet aber auch Lösungen an:  „Die Regierungen müssen noch energischer gegen die weiter schwelende Finanzkrise vorgehen. Sie müssen die toxischen Papiere entfernen und Maßnahmen zur Förderung der (Re-)Kapitalisierung der Banken ergreifen - nötigenfalls durch Verstaatlichung.“ Er rät den Regierungen, sich auf internationaler Ebene auf weitere Finanzmarktregelungen zu verständigen. Wörgötter sieht aber auch eine Krise in der Chance: „Jetzt ist die Stunde der Unternehmer, Innovatoren und Investoren. Ihnen muss der Staat durch einen regulativen Kahlschlag den Weg frei machen, um für einen neuen, tragfähigen und nachhaltigen Aufschwung zu sorgen.“