1. Schülergenossenschaft Österreichs in Bruck gegründet

02.07.2021

Die HBLA für Forstwirtschaft („Försterschule) in Bruck/Mur wurde im Rahmen des kürzlich gestarteten Pilotprojektes „Genossenschaft macht Schule“ unter vier Pilotstandorten auserkoren, als allererste Schule Österreichs den Schritt zur Gründung einer Schülergenossenschaft zu setzen.

Anlässlich dieses historischen Ereignisses konnte Schuldirektor Anton Aldrian am 23. Juni hochkarätige Vertreter des heimischen Bildungs- und Genossenschaftswesens zur feierlichen Gründungsversammlung der bundesweit ersten Schülergenossenschaft in der Försterschule begrüßen. Zu diesen zählten unter anderem Franz Titschenbacher als Landwirtschaftskammer-Präsident und Obmann des Raiffeisenverbandes Steiermark, Wilfried Thoma, der Obmann der Partnergenossenschaft Raiffeisenbank Leoben-Bruck sowie Aufsichtsratspräsident der Raiffeisen-Landesbank Steiermark, oder Justus Reichl, Generalsekretär-Stellvertreter des Österreichischen Raiffeisenverbandes (ÖRV). Die begleitenden Ministerien waren durch die Ministerialrätinnen Josefa Reiter-Stelzl und Ingrid Veis, die sich virtuell zuschalten ließ, vertreten.

Im Mittelpunkt standen insbesondere die mehr als 20 beteiligten Schüler, die „ihre“ neue Genossenschaft und ihre Vertreter des neu gewählten Vorstandes und Aufsichtsrates mit Stolz vorstellten. Mit großem Pioniergeist wurde für das nun eigene Unternehmen ein Konzept zur Förderung ihrer Mitglieder und auch zu einem sinnvollen Nutzen für die Schule entwickelt, in dem unter anderem mit dem Verkauf von Schulmaterial und Merchandising-Artikeln ein erster Schritt umgesetzt wird. „Wir freuen uns nun schon auf die Umsetzung unserer Ideen“, versprühten Jungobmann Andreas Grasser und seine Stellvertreterin Clara Glitzner vollen Elan. Schon jetzt hätten die beteiligten Schüler viel lernen und Erfahrungen sammeln können, die im späteren Leben wertvoll seien, so Grasser.

Partnergenossenschaft unterstützt mit Knowhow

Begleitet wird dieses Pilotprojekt von einer Partnergenossenschaft, der Raiffeisenbank Leoben-Bruck, die nicht nur während des Gründungsprozesses hilft und mit Knowhow unterstützt, sondern auch dann im „echten Geschäftsbetrieb“. Deren Obmann Wilfried Thoma sieht das nun dargelegte Engagement als eine mit dem Förderauftrag einer Genossenschaft verknüpfte Aufgabe, in die Jugend und somit in die Zukunft zu investieren.

Nachhaltigkeit verbindet Forstwirtschaft und Genossenschaften

So wie Thoma zeigte sich auch Verbandsobmann Franz Titschenbacher von der Einstellung der Schülerinnen und Schüler angetan. In Genossenschaften brauche es stets junge Personen, die bereit wären Verantwortung zu übernehmen. Daher wolle der Raiffeisenverband Steiermark mit diesem Projekt ein bewusstes Zeichen setzen. Titschenbacher sprach auch die Verbindung von Genossenschaften und der Forstwirtschaft an: „Raiffeisen steht ebenso für nachhaltiges Denken!“

„Praxis wird Realität“

Auf die traditionelle Verbindung zwischen Genossenschaften und dem Agrarbereich verwies Josefa Reiter-Stelzl vom Landwirtschaftsministerium. Für sie sei die Genossenschaft vor allem aber auch eine Wirtschaftsform der Zukunft. Vorteile auf allen Seiten erkannte Ingrid Veis, die im Bildungsministerium das Projekt „Genossenschaft macht Schule“ verantwortet: „Die Schülerinnen und Schüler erleben einen praxisnahen Unterricht und sammeln Wirtschafts-, Personal- sowie Sozialkompetenz. Die Praxis wird zur Realität!“ Als Gegenmodell zum Egoismus bezeichnete ÖRV-Genossenschaftsstratege und „Projektvater“ Justus Reichl die Rechtsform der Genossenschaft. Nirgendwo könne die Jugend besser kooperativ Wirtschaften lernen und gemeinsam etwas bewegen als in einer Schülergenossenschaft.

Symbolische Baumpflanzung

Feierlich unterzeichnete Heinrich Herunter, der Verbandsdirektor des Raiffeisenverbandes Steiermark, abschließend auf der Bühne eine Kooperationsvereinbarung mit den neu gewählten Vertretern der Schülergenossenschaft. Diese besiegelt die laufende Beratung und begleitende Prüfung durch den Revisionsverband über die Gründungsphase hinaus. Im Anschluss wurde unter Koordination von Betreuungslehrer Wolfgang Hintsteiner gemeinsam von allen Beteiligten symbolisch ein Baum im Schulareal gepflanzt.

Erfolgsmodell in Deutschland

Schülergenossenschaften sind Unternehmen in Form einer fingierten Genossenschaft, die von Schülern eigenverantwortlich geführt werden. Diese gab es bis zu Beginn des aktuellen Schuljahres ausschließlich in Deutschland. Nun wurde auch in Österreich ein entsprechendes Pilotprojekt an vier ausgewählten Schulen gestartet – alles im Sinne des ursprünglichen Genossenschaftsgedankens, von einem Revisionsverband begleitet und unterstützt durch eine oder mehrere echte Partnergenossenschaften aus der jeweiligen Region. Dabei werden klassen- und jahrgangsübergreifend Mitglieder geworben, eigene Geschäftsideen entwickelt, Satzungsbestimmungen, Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufe erarbeitet, Businesspläne verfasst, Gründungsversammlungen durchgeführt sowie Vorstände und Aufsichtsräte gewählt. Und – eine weitere Besonderheit – alles nicht nur für die Theorie. Denn Schülergenossenschaften haben einen echten Geschäftsbetrieb. Die von den Jugendlichen entwickelten Produkte oder Dienstleistungen werden schulintern und wenn machbar auch außerhalb der Schule vertrieben. In Deutschland haben sich seit Gründung der ersten Schülergenossenschaft 2006 in Niedersachsen annähernd 200 weitere in mehreren Bundesländern etabliert.