ÖRV-Infotagung: „Ergebnisse müssen gesichert werden“

10.02.2017

Unter dem Motto "Ergebnisse sichern" nutzten Ende Jänner bei der 53. Informationstagung des Österreichischen Raiffeisenverbandes (ÖRV) in Loipersdorf so viele Spitzenfunktionäre wie noch nie die Chance, sich über Landes- und Spartengrenzen hinweg zu vernetzen und sich zu aktuellen Themen auszutauschen.

Gerade in Zeiten der Veränderung kommt Spitzenfunktionären eine besondere Rolle zu. In ihrer Funktion als Eigentümervertreter sind sie nicht nur Repräsentant ihrer Genossenschaft in der Region, sondern auch konstruktiv-kritischer Sparringpartner für Führungskräfte aller Sparten. "Es ist unsere Aufgabe als Spitzenfunktionär, die Rahmenbedingungen für eine positive Entwicklung des Raiffeisen-Sektors sicherzustellen", fasste es Multi-Spitzenfunktionär Erwin Hameseder bei der Spitzenfunktionäre-Informationsveranstaltung des Östereichischen Raiffeisenverbandes von 25. bis 27. Jänner im steirischen Loipersdorf zusammen und betonte: "Dabei müssen wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen und nicht passiv warten, sondern anpacken."

Der Aufsichtsratspräsident der Raiffeisen-Landesbank Steiermark, Wilfried Thoma, ortet "nach langer Zeit erstmals wieder Aufbruchstimmung im Raiffeisen-Sektor". Für ihn sei wichtig, als Eigentümervertreter gerade in schwierigen Zeiten "das Wir vor das Ich zu stellen" und die Grundwerte von Raiffeisen weiterzugeben. "Ziele immer vorzugeben" sieht auch Raiffeisen-Ware-Austria-Aufsichtsratspräsident Johann Lang als Aufgabe von Funktionären. Dabei sei es wichtig, Gemeinsamkeiten nicht zu verlieren und die eigenen Stärken zu betonen. In diesem Sinne habe die Info-Tagung des ÖRV "Leuchtturm- und Wegweiserfunktion", ergänzte der Obmann des Raiffeisenverbandes Steiermark, Franz Titschenbacher.

Eigeninitiative zeigen

Auch der Generalsekretär des Österreichischen Raiffeisenverbandes (ÖRV), Andreas Pangl, appellierte an die Spitzenfunktionäre, "nicht Verwalter des Stillstandes zu sein, sondern die Zukunft neu zu gestalten". Die Weichen dafür seien gestellt. Nun gelte es, die Chancen zu ergreifen und zu zeigen, was Raiffeisen geschafft und geschaffen habe. "Wir befinden uns in einem disruptiven Umfeld", sprach Pangl die jüngsten geopolitischen Entwicklungen an. Daher sei man gut beraten, sich nicht auf den Staat zu verlassen und Eigeninitiative zu zeigen - ganz dem Raiffeisen-Gedanken entsprechend.

Untermauert wurde dieser Appell von wissenschaftlicher Seite durch den deutschen Querdenker und Experten für Innovation im Bankbereich, Axel Liebetrau. Führungskräfte müssten gerade in Transformationsprozessen "Vordenker" sein und vermitteln können, "wo die Reise hingeht". Ansonsten würden sie zu "reinen Verwaltern". Neue Spielregeln, vielfach ausgelöst durch die Digitalisierung, veränderten derzeit nicht nur das Bankgeschäft radikal. Neue Ideen seien gefragt: "Wir müssen aufhören, die Zukunft von Business nur anhand von bisherigen Erfahrungen und Erinnerungen zu entwickeln und beginnen, unser Geschäft völlig neu zu denken. Das ist die Aufgabe von Spitzenfunktionären und Führungskräften", betonte Liebetrau. Trends wie Amazon Echo, Ebay now oder Bargeld an der Supermarkt-Kassa zeigten, dass nun -in der ersten Dekade, in der Digitalisierung intensiv gespürt werden kann - die Weichen für die nächste Dekade gestellt werden müssten.

Im Banking heiße der Schlüssel zum Erfolg "Kundennähe" - jedoch nicht als Entfernung zur nächsten Filiale oder über einen digitalen Kanal gemessen. Entscheidend sei der Wert der Beziehung: "Nähe heißt, ich glaube an dich, du glaubst an mich. Es geht um Vertrauen," brachte es der Experte auf den Punkt und sieht darin den genossenschaftlichen Gedanken als "gute Basis", den es wie einen Muskel zu trainieren gelte.

In der Umsetzung dieser neuen Spielregeln rät Liebetrau, zunächst Freiräume für Innovation zu schaffen und die Dialogfähigkeit mit den Kunden völlig neu zu gestalten. Nur mit Empathie und Passion könne es gelingen, den nötigen Vorsprung gegenüber dem Mitbewerb zu erreichen. "Mit Orientierung am Durchschnitt kann man keinen Mehrwert liefern", so der Querdenker, der auch eine neue Fehlerkultur einfordert. Als eine der Antworten auf das durch die Digitalisierung veränderte Geschäftsmodell der Banken arbeitet die Raiffeisen Bankengruppe Österreich (RBG) seit Sommer 2015 am Projekt Digitale Regionalbank, berichtete der Projektverantwortliche und Leiter Digital Banking, Hannes Cizek.

Mehr finanzielle Bildung notwendig

Dem Thema Finanzbildung widmete sich Bettina Fuhrmann von der Wirtschaftsuniversität Wien in ihrem Referat. "Das Wissen über finanzielle und wirtschaftliche Dinge ist in Österreich sehr bruchstückhaft", fasste sie das Ergebnis einer Studie in Kooperation mit der OeNB zusammen. Nicht zuletzt deshalb zieht sie den Schluss: "Persönliche Bankberatung bleibt ein wichtiges Element, gerade weil es viele Unsicherheiten gibt und nur der Berater die Angst nehmen kann."

Rainer Münz, Mitglied des European Political Strategy Centre (EPSC) der Europäischen Kommission, gab in seinem Vortrag eine persönliche Einschätzung zur Weltpolitik und beleuchtete die Rolle der Europäischen Union. Die Imageprobleme der EU werden auch durch den Brexit deutlich: "Frieden ist kein schlagkräftiges Argument mehr, weil die Jugend nur Frieden kennt."

Ein fixer Programmpunkt war das Thema Zusammensetzung von Gremien. "Diversität ist keine Sozialromantik oder ein Gutmenschentum und auch keine Randgruppenpolitik", betonte der Diversity-Experte Mathias Cimzar von MTraining. Vielfalt bringe Kreativität, Innovation und kritische Selbstreflexion. Allerdings ist klar: "Eine anders denkende Person ist zu wenig, es braucht mindestens zwei Querdenker, um an Glaubwürdigkeit zu gewinnen." Generell sollte stets das Thema im Fokus stehen und nicht die einzelne Person. Bei Raiffeisen hat mit der Gründung des Funktionärinnen-Beirats ein Umdenkprozess eingesetzt, erkennt Generalanwalt-Stellvertreter Jakob Auer: "Es ist besser geworden, aber es gibt noch Luft nach oben. Ich halte zwar nichts von Quoten, aber ohne Zielsetzungen wird es wohl doch nicht gehen."

Der Begriff Genossenschaft ist in der Bevölkerung noch besser besetzt als der Begriff Raiffeisen, das belegen aktuelle Umfragen. Deshalb will Justus Reichl, Leiter der Stabstelle für Genossenschaften im ÖRV, beide Begriffe noch stärker in Beziehung setzen. Die Kampagne und Serviceangebote des ÖRV unter dem Slogan "Bewusst: Raiffeisen." sollen dazu beitragen. 2018 wird der 200. Geburtstag von Friedrich Wilhelm Raiffeisen gefeiert. Der spartenübergreifende Schwerpunkt soll kein Totengedenken sein, sondern Zukunftsperspektiven aufzeigen.

Steirer-Abend: Mix aus Musik und Kulinarik begeisterte

Das Regionalitätsprinzip von Raiffeisen wird nicht nur im Geschäftsalltag, sondern auch darüber hinaus gelebt. So tischten die Raiffeisen-Landesbank Steiermark und der Raiffeisenverband Steiermark am ersten Abend der Informationstagung den 130 Spitzenfunktionären musikalische und kulinarische Spezialitäten aus der weiß-grünen Mark auf.

Die Grazer Kapellknaben eröffneten den geselligen Abend mit stimmungsvollen Klängen. Regional verwurzelt präsentierte sich anschließend auch Betty O. Die Solokünstlerin brachte mit ihren kabarettistischen Mundwerkliedern nicht nur Kenner der Südsteiermark zum Schmunzeln. Steirischer Wein und kulinarische Schmankerln rundeten schließlich das gemütliche Beisammensein ab.