Funktionärsplattform motiviert zur Mitgliederförderung
04.04.2025
Einen starken genossenschaftlichen Schwerpunkt setzte die erste Funktionärsplattform des Raiffeisenverbandes Steiermark im "Internationalen Jahr der Genossenschaften 2025" Ende März in Graz. Aber auch Rechts- und Wirtschaftsthemen kamen bei der Veranstaltung nicht zu kurz.
Jede Menge Dynamik in die steirischen Raiffeisen-Genossenschaften brachte die vom Raiffeisenverband Steiermark am 27. März im Steiermarkhof in Graz anberaumte Funktionärsplattform, zu der Verbandsobmann Franz Titschenbacher einlud. Und dieser machte den mehr als 130 anwesenden Eigentümervertreter:innen der Raiffeisenbanken und Lagerhäuser in der Steiermark klar, welche Bedeutung und Chance das laufende "Internationale Jahr der Genossenschaften" für die Genossenschaftsidee in Österreich darstellt.
Den Ball direkt übernahm ÖRV-Genossenschaftsstratege Manuel Hanselmann, der über die bundesweite Raiffeisen-Initiative zur Attraktivierung der Mitgliedschaft in den Genossenschaften unter dem Giebelkreuz aus erster Hand informierte: "Kern einer Genossenschaft ist die Förderung der Mitglieder, die aus einem Selbstverständnis heraus erfolgt." Speziell im Bereich der Raiffeisenbanken stelle man sich oft die Frage, wie die Mitgliederförderung gestaltet werden könne und wie neue Mitglieder zu gewinnen wären.
Gemeinschaft und individuelle Vorteile als Anreize
"Nichtmitglieder motivieren vor allem individuelle Vorteile und die Gemeinschaft in einer Genossenschaft, um beizutreten. Bei jungen Funktionärinnen und Funktionären ist der Anreiz sehr stark ausgeprägt, in der Region mitgestalten zu wollen", so Hanselmann. Für den Erfolg einer Genossenschaft brauche es aus seiner Sicht aber mehr: "Finanzielle Anreize sind gute Aufhänger und Aufreißer, aber um eine Genossenschaft mit Leben zu erfüllen und weiter zu tragen, muss das gemeinsame Ziel her." Damit es letztlich gelingen kann, gab Hanselmann den Anwesenden jede Menge Denkanstöße und Best-Practice-Beispiele aus ganz Österreich mit.
Umfrage unter steirischen Genossenschaften
Eine brandaktuelle Umfrage unter den steirischen Raiffeisenbanken und Lagerhäusern zum Thema Mitgliedschaft präsentierte Verbandsdirektor Peter Weissl. Lediglich 40 % der Genossenschaften haben bereits Aktivitäten diesbezüglich gesetzt – mit sehr unterschiedlichem Erfolg. Künftig wollen aber sehr viele auf den Zug aufspringen, wobei man auf nichtfinanzielle direkte Vorteile für das Mitglied wie Veranstaltungen, aber auch auf indirekte Vorteile durch die Förderung von Regionen und Vereinen setzen möchte. Der Rechtsform Genossenschaft selbst wird sehr hohe Bedeutung beigemessen. "Beim Thema Mitgliedschaft geht es um die Glaubwürdigkeit und Zukunft der Genossenschaften", redete der Verbandsdirektor den Funktionärinnen und Funktionären ins Gewissen. Gleichzeitig ortete Weissl einen großen Widerspruch in den Umfrageergebnissen: Die Generalversammlungen als zentrales genossenschaftliches Instrument der Genossenschaft und Mitgliedschaft werden bislang nur teilweise "gelebt".
Deutlich mehr Neugründungen
Mit starken Zahlen konnte der Leiter des Kompetenzzentrums Genossenschaft im steirischen Revisionsverband, Armin Friedmann, aufwarten. Mit 151 Neugründungen im Jahr 2024 wurden in ganz Österreich 15 mal mehr Genossenschaften gegründet als noch vor zehn Jahren. Davon entfallen mehr als 80 % auf Energiegemeinschaften, aber auch die Bereiche der Sozialökonomie und Dienstleistungen haben stark im heimischen Genossenschaftswesen Einzug gehalten. "Für die immer populärer werdende Wir-Ökonomie ist die Rechtsform der Genossenschaft wie gemacht, aber auch viele andere Bereiche wie Pflege, Gesundheit, Soziales oder Bürgerbeteiligungen sind ein künftiger genossenschaftlicher Nährboden." Gerade in diesen Bereichen könnten Raiffeisenbanken als Motor der Regionen vorangehen und weitere genossenschaftliche Projekte als indirekte Mitgliederförderung anstoßen.
Zwei der Neugründungen im vergangenen Jahr in der Steiermark stellten sich vor Ort den Anwesenden direkt vor: Obmann Thomas Kapper erläuterte das Konzept hinter der genossenschaftlichen "Initiative Fehring". Diese ist nach der Auflösung der einzelnen lokalen Tourismusverbände der neue touristische Motor in der oststeirischen Stadtgemeinde und holt Unternehmer, Landwirte, Gemeinde und Privatpersonen gleichermaßen ins Boot, denen Fehring ein Anliegen ist. Schließlich lautet das Motto: "Fehring macht glücklich." Mehr als positiv berichtete auch Franz Kerschenbauer von der ebenfalls im Frühjahr gegründeten Energiegenossenschaft Oberes Feistritztal. An fünf Infoabenden konnten jeweils viel mehr Interessierte gezählt werden, als man es sich anfangs überhaupt erdenken konnte.
Künstliche Intelligenz und Cybersecurity
Den aktuellen fachlichen Teil der Informations- und Netzwerkveranstaltung bespielten die beiden Verbandsexperten Marie-Therese Hartlieb und Dieter Edelsbrunner. Hartlieb informierte dabei per Videoschaltung über die unlängst in Kraft getretene EU-Verordnung zur Künstlichen Intelligenz. Ihre Botschaft: "Bitte hinterfragen sie alle KI-Ergebnisse immer kritisch und schulen sie ihr Personal entsprechend, dass es die notwendigen Kenntnisse im Umgang mit der KI hat!"
Den zunehmenden digitalen Bedrohungen für Banken, die inzwischen in umfangreichen regulatorischen Vorgaben mündeten, widmete sich Dieter Edelsbrunner. "Cyberkriminalität ist mittlerweile die drittgrößte Volkswirtschaft weltweit. Die Zahlen sind leider gigantisch und beängstigend." Die europäische Antwort darauf ist die Dora-Verordnung, welche die Resilienz des Finanzsektors in Bezug auf Cyberkriminalität sowie Informations- und Kommunikationsrisiken stärken soll. Sicherheit im digitalen Bereich fängt aber schon bei den einfachen Dingen, mahnt Edelsbrunner etwa einen sorgfältigen Umgang mit Passwörtern ein.
Pessimistische wirtschaftliche Aussichten
Weniger erfreuliche Nachrichten brachte den Anwesenden Raiffeisen-Research-Analyst Markus Tschapeck. "Österreich und Deutschland wurden in Europa wirtschaftlich stark abgehängt. Die USA hingegen ist ganz Europa davongezogen und sehr solide, wenngleich die Unsicherheiten unter der Präsidentschaft von Donald Trump stark gestiegen sind." Vor allem das schlechte Stimmungsbild in der heimischen Industrie und deren immer geringere Wettbewerbsfähigkeit würden Anlass zur Sorge geben, meint der Volkswirt. "Die Jahre 2023 und 2024 waren Rezessionsjahre in Österreich. Der Ausblick für dieses Jahr stimmt ebenso wenig zuversichtlich. Wirtschaftlich haben wir ein strukturelles Problem in unserem Land. Von den US-Zöllen wären wir noch dazu besonders negativ betroffen." Zumindest mit Blick auf die Inflation zeigt sich Tschapeck optimistischer: Die hohen Lohnabschlüsse müsse man noch in den Griff bekommen, aber die Zeit der hohen Inflation scheine vorbei zu sein.